Früher war Sprache für mich ein Mittel zum Zweck. Ich meine, ich habe mir keine großen Gedanken darüber gemacht, wie ich etwas sage oder welche Worte ich benutze.
Seit ich Hebamme bin ist das anders. In der Schwangerschaft nehmen viele Frauen und Menschen mit Uterus ihre Umgebung ganz anders wahr. Sie werden aufmerksamer, empfindsamer, riechen intensiver, schmecken intensiver. Alles wird sozusagen scharf gestellt.
Das gilt auch oft für das Gehör.
Haben Sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht, was es in einem Menschen auslöst, wenn man das Wort "Wehen" sagt? Oder was löst das gerade in Ihnen aus?
Ich denke dabei an Dinge wie "oh weh" oder "Wehwechen" und leider auch an "weh tun". Wehen sind aber tatsächlich nicht per se schmerzhaft. Etwas, was die deutsche Sprache als "Wehe" bezeichnet, ist rein objektiv gesehen, eine Muskelkontraktion. Also Muskelarbeit. Wie die Kontraktion des Oberschenkelmuskels beim Treppensteigen, oder der Bauchmuskeln bei einem Lachanfall. Ich stimme zu, bei sehr langen Treppen oder einem unfassbar komischen Witz, können diese Kontraktionen auch mal schmerzhaft werden.
Aber an sich ist eine Kontraktion eine Kontraktion. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich plädiere also für mehr Sensibilität im Umgang mit den Worten. Lassen Sie uns also lieber von Geburts- oder Gebärmutterkontraktionen sprechen. Von Kontraktionsaktivität (statt Wehentätigkeit). Und was mir besonders am Herzen liegt:
von Geburt und gebären statt Entbindung und entbinden lassen.
Die "Entbindung" ist ein Wort, bei dem sich mir die Nackenhaare aufstellen und die Zehennägel aufrollen. Brrr.
Im Duden stehen als Synonyme für die "Entbindung" folgende Worte: "Befreiung", "Loslösung", "Enthebung", "Freistellung".
Zum Verb "entbinden" steht dort "einer Frau Geburtshilfe leisten. eigentlich: von der Nabelschnur losbinden".
Damit sollte klar sein: eine schwangere Frau kann gar nicht "entbinden". Entbunden wird man. Von einem Amt, von einer Last, von schwerem Schicksal, von einer Ärzt*in oder Hebamme...
Wollen Sie von Ihrem Kind entbunden werden?
Oder wollen Sie nicht vielleicht doch lieber aktiv sein bei der Geburt? Aktiv und selbstbestimmt gebären?
Wenn Sie meine Worte zum Nachdenken bringen, freue ich mich. Wenn sie Sie außerdem dazu bewegen ihre Wortwahl zu überdenken, mache ich Luftsprünge. Wenn Sie anderen davon erzählen und sie ebenfalls dazu bringen ihre Wortwahl zu überdenken, sind Sie meine Held*in!
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